Aikido

 

Ein gewaltiger Hieb … aber er trifft nicht. Da wo noch kurz zuvor der Kopf eines Menschen war, ist jetzt nichts mehr, was getroffen werden könnte. Während er das realisiert, landet der Angreifer bereits auf dem Boden. Kein Block, kein Gegenschlag. Nichts Greifbares hat ihn geworfen – und doch konnte er der sanften Kraft, die das bewirkt hat, nicht widerstehen.

wrf_2047504cBei der ersten Begegnung stehen viele Menschen dem Phänomen Aikido ratlos oder spöttisch gegenüber. Ratlos, weil sie sich auf den ersten Blick nicht erklären können, wie das Ganze funktioniert. Spöttisch, weil sie nicht glauben, dass es funktioniert.

Die spielerische Leichtigkeit, mit der ein Angreifer geworfen werden kann, scheint nur durch das stille Einverständnis desjenigen möglich zu sein, der geworfen wird. Dieses Einverständnis gibt es wirklich – allerdings beruht es nicht auf Absprache, sondern kommt durch die Anwendung der Prinzipien des Aikido zustande. Kraft wird nicht Kraft entgegengesetzt, Kraft wird mit Kraft vereint und so verdoppelt. Gegensätze werden aufgehoben, Bewegungen verschmelzen miteinander, gehen ineinander über.
Die Kontrolle über das Geschehen bleibt jedoch immer beim Werfenden. Und weil er in jedem Moment die Situation sicher kontrollieren kann, ist es ihm möglich, nicht nur sich selbst, sondern auch das Leben und die Gesundheit des anderen zu schützen.

Die Wurzeln des Aikido liegen in den Jahrhunderte alten Traditionen der durch die Samurai entwickelten japanischen Kriegskünste. Die „Urformen“ einiger Techniken sind tödlich, wurden aber vom Gründer des Aikido, OSensei Ueshiba Morihei entschärft und weiter entwickelt. Von einer Vernichtung des Gegners wird Abstand genommen, die Anliegen des Aikido sind Harmonie und das Bewahren von Leben.

Wer glaubt, er könne sich in einem Aikido-Dojo auf die Schnelle ein paar Tricks für Wirtshausraufereien aneignen, wird enttäuscht sein. Aikido lernen ist vergleichbar mit dem Erlernen des Schreibens. Zuerst kämpfen die Finger noch mit dem ungewohnten Schreibgerät. Wenn der Schüler die vom Lehrer mit Schwung und Eleganz vorgegebenen Linien nachzieht, sind die Ergebnisse recht bescheiden und nur langsam kann sich der Schüler von ihn behindernden Beschränkungen seines Körpers und seines Geistes lösen.

Aber schließlich, nach langem und zähem Üben wird auch er es lernen, flüssig zu schreiben. Manche gelangen sogar zu einer ausgesprochen schönen Handschrift und einige wenige nutzen diese nicht nur für Einkaufszettel, sondern auch zum formvollendeten Niederschreiben von Gedichten. So wie die Kunst des Schreibens allen nützt, kann auch Aikido allen Menschen nützen.

Im Aikido wurde die Hohe Schule des Fallens perfektioniert. Die Schaffung eines geschmeidigen und beweglichen Körpers hat günstige Auswirkungen auf die Gesundheit. Ebenso besteht die Möglichkeit, überaus wirksame Methoden der Selbstverteidigung zu erlernen, die nicht auf roher Kraft und brutalem Zuschlagen beruhen. Auch wirken sich die ruhigen und harmonischen Bewegungen des Aikido vorteilhaft auf die emotionale und geistige Verfassung der Übenden aus.

Die dem Wort Aikido zu Grunde liegenden japanischen Schriftzeichen stehen im einzelnen für folgende Begriffe:

  • Ai – bedeutet anpassen, verbinden, vereinen, harmonisieren
  • Ki – steht für die Lebensenergie des Einzelnen, aber auch die des gesamten Universums
    (vergleiche auch z.B. Tai Chi oder Qi Gong)
  • Do – der Weg, den man zurücklegen muss, um an ein Ziel zu gelangen

Noch eine Anmerkung: Für das gesprochene Wort Ai (dem aber ein anderes Zeichen zu Grunde liegt) gibt es im Japanischen auch noch die Bedeutung von Liebe und Freundschaft. Oft wird das Ai in Aikido ebenso übersetzt, weil diese Bedeutung so schön ins Gesamtkonzept passt. Das führt in Einzelfällen aber hin und wieder zu missverständlichen Auslegungen und Schlussfolgerungen.